Das Lesen von Sonagrammen

Lösung zur Abbildung F3 in Kapitel V


Abb. F3b

Das Sonagramm kann in 12 Segmente unterteilt werden, von denen sieben Frikative enthalten: die Segmente 1, 2, 4, 5, 7, 8 und 12. Zudem finden wir hier drei Frikativ-Frikativ-Folgen, was einige Probleme bei der Segmentierung bereiten kann.
Segment 2 könnte man leicht übersehen und vermuten, daß es sich hierbei um den diffusen Übergang handelt, der nach Frikativen oft auftreten kann. Da es sich jedoch um einen nicht kurzen Zeitabschnitt handelt, dessen Intensität noch dazu gegen Null zu gehen scheint, müssen wir eine Segmentgrenze setzen.
Schwierig ist auch das Setzen der Segmentgrenzen für Segment 8, das insgesamt eine sehr inhomogene Struktur aufweist.

Der Frikativ in Segment 1 ist stimmlos und hat eine tiefe Frequenzuntergrenze von etwa 2000 Hz mit hoher Energie, teilweise sogar unter 1000 Hz. Da keine Formantstrukturen zu erkennen sind, kann es sich nur um den postalveolaren Frikativ [S] handeln.

Das folgende Segment 2 enthält ebenfalls einen Frikativ, jedoch mit einer sehr geringen Intensität über den gesamten Frequenzbereich ohne erkennbare Frequenzschwerpunkte. Daher kann es sich nur um den teilweise stimmhaften, labiodentalen Frikativ [v] handeln.

Bei dem Frikativ in Segment 4 handelt es sich um den alveolaren, stimmlosen Frikativ [s], erkennbar am deutlichen Intensitätsschwerpunkt oberhalb von 5000 Hz.

Dieser Frequenzschwerpunkt wird abgelöst von einer gleichmäßen Energieverteilung in Segment 5 ohne jeden Energieschwerpunkt, dem labiodentalen [f].

Der stimmlose, alveolare Frikativ [s] in Segment 7 zeichnet sich aus durch einen Frequenzschwerpunkt oberhalb von gut 4000 Hz.

Die Segmentgrenzen des teilweise stimmhaften, glottalen Frikativs [h] im folgenden Segment 8 sind nicht eindeutig zu bestimmen. Da das Frikativspektrum klar strukturiert ist und Formanten zu erkennen sind, muß es sich um einen weit hinten gebildeten Laut handeln. Hier scheinen sich sogar erster und zweiter Formant (nicht F3/F4!!) zu kreuzen, was manchmal beim [h] zu beobachten ist. Ebenfalls typisch für das [h] ist die Eigenschaft, seine Vokalqualitäten unterhalb 2000 Hz aus dem vokalischen Kontext zu beziehen. Damit erklärt sich auch der ungewöhnlich hohe F1, 'gewonnen' aus dem folgenden [a]. Für einen palatalen Frikativ weist der Frikativ zu wenig Energie auf; auch wäre dort hohe Energie oberhalb von 2500 Hz zu erwarten. Der velare Frikativ muß aus phonotaktischen Gründen ausgeschlossen werden, da kein Vokal sondern der Frikativ [s] vorausgeht.

Der Frikativ in Segment 12 bildet gemeinsam mit dem vorausgehenden Plosiv eine Affrikate. Eine Frequenzuntergrenze von ca. 5000 Hz und eine hohe Intensität sprechen für den alveolaren, stimmlosen Frikativ [s].


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Kirsten Machelett