Das Lesen von Sonagrammen

Lösung zur Abbildung LN1 in Kapitel V


Abb. LN1b:

Das Sonagramm "Mollis langer Milchulk" läßt sich in 16 Segmente unterteilen mit vier Lateralen und drei Nasalen. Segment 3, 6, 12 und 16 enthält einen Lateral, Segment 1, 8 und 10 einen Nasal.

Bei der Segmentierung ist man versucht, den letzten Teil von Segment 5 abzutrennen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen recht typischen Frikativ-Lateral-Übergang mit Wortgrenze, der eine frikativ-laterale Phase zur Folge hat. Diese kann man entweder zum Frikativ oder zum Lateral hinzurechnen. Laterale, die in Konsonant-Clustern auf Frikative folgen, bestehen häufig nur aus dieser friktiv-lateralen Phase, so daß man dann von einem frikativen Lateral spricht.
Auch Segment 9 könnte man weiter unterteilen, da der sehr hohe F1 zu Beginn des Segments fehlt. Das 'Auslöschen' dieses Formanten ist jedoch durch eine anfängliche Nasalierung des Vokals bedingt, die der vorausgehende Nasal verursacht hat.

Bei Segment 1 handelt es sich um einen Nasal, da der gesamte Frequenzbereich oberhalb von 500 Hz fast keine Intensität aufweist. Lediglich der zum Folgevokal ansteigende zweite Formant kann als Hinweis auf die Artikulationsstelle labial gewertet werden.
Bei Segment 3 kann es sich nicht um einen Nasal handeln, da der Frequenzbereich zwischen 2000 und 4000 Hz eine zu hohe Intensität aufweist. Ein tiefer erster Formant, ein F2 von knapp 2000 Hz, der anschließend durch Antiresonanzen abgeschwächt wird, und eine Lateralverschluß-Lösung am Ende des Segments deuten auf einen Lateral.
Bei Segment 6 handelt es sich um einen typischen Lateral mit den Formantwerten F1 < 500 Hz, F2 = 1800 Hz und F3 = 2800 Hz, wobei F2 und F3 durch Antiresonanzen deutlich abgeschwächt sind.
Erkennbar an den deutlichen Antiformanten handelt es sich bei Segment 8 um einen Nasal, dessen Artikulationsstelle schwer zu bestimmen ist. Lediglich ein labialer Nasal kann ausgeschlossen werden, da der F2 des Folgesegments bei etwa 1800 Hz beginnt.
Bei Segment 9 kann es sich nicht um einen Lateral handeln, da F1 deutlich über 500 Hz liegt.
Erkennbar an den abrupten Segmentgrenzen und den ausgeprägten Antiformanten handelt es sich bei Segment 10 um einen Nasal. Auch hier kann lediglich der sehr stark ansteigende F2 des Folgesegments als Hinweis auf einen labialen Nasal gewertet werden.
Der Lateral in Segment 12, eingeleitet durch eine Lateralverschluß-Lösung, grenzt sich klar vom vorausgehenden Vokal ab. Die Lage der Formanten wechselt von Segment 11 zu 12 abrupt und transitionslos, was eine Vokal-Vokal-Folge ausschließt.

Der Lateral im letzten Segment ist leider etwas abgeschnitten, so daß die endgültigen Formantwerte nicht genau erkennbar sind. F1 liegt etwas höher bei etwa 500 Hz, F2 bei etwa 1800 Hz. F3 scheint relativ niedrig bei 2500 Hz zu liegen und auch ein F4 bei etwa 3300 Hz. Die letzten beiden bisher für uns eher ungewöhnlichen Formantwerte lassen sich durch die relativ variable Lateral-Artikulation abhängig vom Kontext erklären.


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Kirsten Machelett