Susanne Burger, Elke Kachelrieß
Institut für Phonetik und sprachliche Kommunikation
München
VERBMOBIL Memo 111
August 1996
Inhalt
Trotz des ausführlichen Handbuchs zur Datenaufnahme und Transliteration
in TP14 von VERBMOBIL -3.0 (Kohler at al, Kiel 1994, [1]) und des Konventionslexikons
zur Transliteration von Spontansprache (Burger, München 1995, [2])
stößt man bei der Verschriftung von Spontansprache immer noch
auf ungelöste Probleme. Die Autoren beschäftigen sich seit einiger
Zeit mit den Aussprachekommentaren in der VERBMOBIL-Transliteration, um
zu sehen, in wie weit schon anhand dieser Kommentare Aussagen über
Aussprachevarianten im Deutschen gemacht werden können. Die Transliteration
der Aussprachevarianten erfolgte bisher relativ ungeregelt, was einerseits
statistische Untersuchungen erschwerte und andererseits schon beim Transliterieren
der VERBMOBIL-Dialoge
häufig zu Nachfragen seitens der Transliterierer führte.
Dieses Memo soll konsistente Regeln zur Verschriftung dieser Aussprachekommentare
vorschlagen. Die Regeln wurden bei der Münchner und Karlsruher Verschriftung
der letzten Ausgaben der VERBMOBIL-CD-ROMs bereits angewandt.
Das Handbuch zur Datenaufnahme und Transliteration in TP14 von Verbmobil -3.0 [1] sagt dazu (unter III.3.7 (4), S. 17) :
"...
- Aussprachevarianten: Die standardisierte Transliteration eines gesprochenen
Wortes kann durch Angaben hinsichtlich Dialektaussprachen, anderer Stilformen
(als in der Rechtschreibung impliziert) oder sonstiger Abweichungen (wie
z.B. "Deutschslands" mit nichtkanonischem Fugen-s) ergänzt
werden. Diese Angaben werden mit "!" eingeleitet, in orthographischer
Repräsentation zwischen "< >" gesetzt und stehen hinter
der standardisierten Transliteration des Gesprochenen. Nach "!"
wird durch eine Ziffer angegeben, auf wieviele vorangehende lexikalische
Einheiten sich der Aussprachekommentar bezieht. Die orthographische Repräsentation
des Aussprachekommentars wird mit einer Leerstelle von "!Ziffer"
getrennt.
..."
Im Konventionslexikon kann man die Konventionen zur orthographischen Transliteration spontansprachlicher Phänomene und Hintergrundgeräusche unter bestimmten Stichwörtern nachschlagen. Nach einigen Beispielen wird die Symbolik gezeigt, es folgt eine kurze "Gebrauchsanweisung" und eine Liste der möglichen Zeichenkombinationen. Zum Thema Aussprachevarianten findet sich hier folgendes:
"...
Aussprachevariante:
Beispiel:
... damit w"ar' das <!1 des> eigentlich klar ... ... dann kommen Sie <!2 komm' Se> doch ... ... wenn wir <!2 wemma> 's die Woche noch machen...
Symbol: <!n ..>
Dialektaussprachen, andere Stilformen oder sonstige Abweichungen
werden in korrekter Form nach Duden verschriftet. Die eigentlich geäußerte
Version wird hinter der korrekten Form
nach einer Leerstelle,
in spitzen Klammern,
nach einem !,
einer Ziffer, die sich auf die betroffenen lexikalischen Einheiten bezieht,
und einer Leerstelle transliteriert.
vor <!n ..> darf stehen:
Leerstelle
..."
machen wir mal das n"achste <!5 mach' ma moi des n"akschte>
Erklärung:
mach' : die Endsilbe fehlt
ma : ungangssprachlich für wir (eher süddeutsch)
moi : süddeutsch für mal
des : sehr häufige Variante von das
n"akschte : dialektale Variante von nächste, eher alemannisch
Zum Beispiel fanden sich mindestens fünf verschiedene Kommentare zu einer Variante von "jetzt", die alle das Fehlen von initialem und finalem Laut beschreiben:
jetzt <!1 'etz'> <!1 etz'> <!1 'etz> <!1 etz> <!1 ez> ...
Wodurch beschränkt die Orthographie mit ihrer eingeschränkten Symbolik (Alphabet, Apostroph) das Transliterieren von Ausprachevarianten?
Wo kann man die Orthographie in den Aussprachekommentaren sinnvoll einsetzen?
Folgende Klassen wurden in Verbmobil-CD-ROM 1-5, 7,12 bisher gefunden:
Die hier vorgeschlagenen Regeln für die Verschriftung der Aussprachekommentare basieren vor allem auf den bisher gefundenen Phänomen-Klassen.
Aus dem Aussprachekommentar sollen nach Möglichkeit lexikalische Einheiten noch erkennbar sein. Deshalb werden die Aussprachevarianten mit Leerstellen auseinander gehalten.
machen wir mal das n"achste <!5 mach' ma moi des n"akschte>
hab' ich noch einen <!4 hob i' no' an>
Aber: Eine Ausnahme bilden das Zusammentreffen von Anfangs- und Endlautelisionen (siehe 4.3.2) und Enklisen (siehe 4.4.2).
Generell gelten im Zweifelsfall die orthographischen Regeln.
Beginnt die orthographische Repräsentation mit einem Großbuchstaben, ist das auch bei der dazugehörigen Aussprachevariante der Fall.
Donnerstag <!1 Donnaschag>
Wenn die Aussprache nichts anderes nahelegt, bleibt scharfes s, (ß, verschriftet als "s) bzw. Doppel-s in der Aussprachevariante wie in der orthographischen Repräsentation bestehen, ebernso wie Längungs-h, Doppelvokale oder Buchstabenkombinationen, für die eine spezielle Standardaussprache gilt ("st" = /St/).
Unterscheidet sich eine Äußerung von ihrer orthographischen Repräsention lediglich durch die Abwesenheit eines oder mehrer Laute, so wird die Elisionsstelle im Aussprachekommentar mit einem Apostroph gekennzeichnet.
meinen <!1 mein'>
irgendwie <!1 irgen'wie>
nat"urlich <!1 't"urlich>
Aber: kein Kommentar bei fehlendem End-e, Reduktion des unbestimmten Artikels und Präpostion/Artikelverschmelzung (siehe 2.4)
Entfällt bei einem Wort der Endlaut/Endlaute, beim folgenden Wort der Anfangslaut/Anfangslaute, so steht zwischen beiden nur ein Apostroph und die betroffenen Wörter werden in diesem Fall nicht mit Leerstelle getrennt.
nach Haus <!2 na'aus>
und dann <!2 un'a'>
schon einen <!2 scho'n>
Werden in der Aussprachevariante Laute durch andere ersetzt oder Laute hinzugefügt, dann wird im Aussprachekommentar die so modifizierte Äußerung verschriftet. In diesem Fall steht kein Apostroph, selbst wenn zusätzlich Laute weggelassen wurden.
gr"u"s <!1 es>
siebenundzwanzig <!1 siemunzwanzisch>
"uberhaupt <!1 "uberhaupts>
Zwischen enklitisierten Varianten steht kein Apostroph; diese Wörter werden zusammengeschrieben.
k"onnen wir <!2 k"omma>
haben wir <!2 hamma>
kannst du <!2 kannste>
Alle Statistiken wurden ber VERBMOBIL-CD1 - CD5, CD7 und CD12 erstellt.
Zum Bearbeitungszeitpunkt lag CD14 noch nicht vor. Es wurden nur in Bonn,
Karlsruhe und München produzierte Dialoge verwendet; das deshalb,
weil die Aussprachekommentare dieser Dialoge mit Erlaubnis der Produzenten
nach den hier beschriebenen Regeln in München korrigiert wurden.
Insgesamt fanden sich 257673 Wörter, wovon 9893 (3.85%) mit Aussprachekommentaren
versehen waren.
Innerhalb dieser Kommentare fanden sich 28735 Apostrophe, also 28735 mal
waren Lautelisionspositionen markiert worden.
Wörter insgesamt
Wörter in Kommentaren |
257673
9893 |
Apostrophe in Kommentaren | 28735 |
"Hitliste" :
Platz | Orthographie | Variante | Häufigkeit |
1.
2. 3. 4. 5. |
ist
das einen Ihnen wir |
is'
des ein' Ihn' ma |
692
592 216 182 151 |
[1] Kohler,Lex,Pätzold,Scheffers,Simpson,Thon (1994): Handbuch zur Datenaufnahme und Transliteration in TP14 von VERBMOBIL -3.0. VERBMOBIL Techdok-11-94, Universität Kiel.
[2] Burger (1995): Konventionslexikon zur Transliteration von Spontansprache.
VERBMOBIL Techdok-36-95, Universität München
http://www.phonetik.uni-muenchen.de/VMTraLex.html
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